Inhalt

Ein heißer, weiter Wald, und sein virtuelles Pendant: der Chatroom Wald_21. Während sich in der flirrenden Hitze ein leicht konfuser Jäger der Wichtigkeit seiner Zunft selbstvergewissert, trifft in der virtuellen Welt ein selbstbewusstes Rotkäppchen auf einen schüchternen Wolf – und es funkt sofort.
Die unerwartete Beziehung bildet den Auftakt für ein skurriles Diskurspiel. In unterschiedlichen Positionierungen geht es Rotkäppchen, Jäger und Wolf um eine Natur, die romantisiert und im gleichen Atemzug zerstört wird. Um kollektives Erinnern und Erzählen. Um die Jagd. Um Begehren. Und immer wieder: um menschliche Verantwortung.

In ebenso poetischer wie unpathetischer Sprache stehen in DER LETZTE BISSEN Fragen des Nature Writings neben Fragen der Klasse, scheinen psychoanalytische Referenzen ebenso auf wie popkulturelle. Einer programmatisch-thematischen Einengung entzieht sich dieser außergewöhnliche Text und bietet damit viel Raum für inszenatorische Schwerpunktsetzungen.

Stetig lässt Miriam V. Lesch Grenzlinien verschwimmen: zwischen Realität, Virtualität und Fiktionalität, zwischen Mensch und Tier, zwischen Damals und Heute. Nur lose orientiert sie sich an der Märchenvorlage – ihr Rotkäppchen ist forsch und eigensinnig, der Jäger ein verunsichert kalauernder ewig Gestriger, der neurotisch nach biologischem Law und Order ruft. Der Wolf wiederum zeigt sich nachdenklich und sensibel für die Verantwortung, die mit Macht einhergeht: muss doch das Wölfische kein ewiges Schicksal sein. Und so ist die Vergangenheit in DER LETZTE BISSEN zwar immer nur einen Katzensprung entfernt – lädt aber umso offensiver dazu ein, überschrieben zu werden.

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Autor

Miriam V. Lesch

Miriam V. Lesch, geboren 1991 in Graz, war von 2012 bis 2015 Regieassistentin am Schauspielhaus Graz und an der Schaubühne Berlin. Seit 2013 veröffentlicht sie regelmäßig Kurzprosa und Lyrik in diversen ...