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Paranoia ist nicht nur ein unserer Zeit angemessenes Lebensgefühl, sie ist, so zeigt sich immer wieder, alternativlos. Denn dass das Handy uns mit "Petri Heil" begrüßt, seit wir Fischstäbchen im Online-Shop bestellt haben, ist ja nur der popkulturelle Ausläufer eines viel größeren Problems.
Boris hat das erkannt. Und er ist vorbereitet. Seinen physischen Aktionsradius hat er auf sein Appartment beschränkt. Kontakt zur Außenwelt nur über Telekommunikationsmittel, Lebensmittelversorgung durch Bringdienst. Webcams sind zu seinem dritten Auge geworden, beobachten Pinguine am Südpol mit gleicher wachsamer Teilnahmslosigkeit wie das Verkehrsaufkommen vor Seattle. Das Ungeheuerliche ist überall versteckt, in Form kleinster Informationsteilchen breitet es sich wie ein Gespinst aus. Man muss alles nur zu lesen wissen.
Es klingelt an der Tür, was seit Monaten nicht mehr außerhalb des Plans vorgekommen ist. Lena. Früher. Ex-Beziehung.
Die Rolle der Ahnungslosen spielt sie schlecht, aber Boris kann sich nicht erklären, was der wirkliche Grund für ihr Kommen ist. Jedenfalls prallen ihre Fröhlichkeit und ihr "Wir hatten doch eine gute Zeit"-Gehabe genauso an Boris' Zynismus ab wie Lenas laut artikuliertes Unverständnis über seinen neurotischen Lebensstil. Nur einige melancholisch vorgetragene Rituale sind geblieben.
Als Lena gegangen ist, entdeckt Boris das Päckchen - und läutet eine neue Eskalationsstufe ein.

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Autor

Roland Spranger

Neben seiner Autorentätigkeit arbeitet Roland Spranger als Betreuer in Wohnprojekten für geistig behinderte Menschen. Außerdem moderiert er regelmäßig die Live-Talkshow "Gwaaf zur Nacht" und ist Mitinitiator des ...