Inhalt

Hinter einer erfolgreichen Frau steht fast immer ein erfolgreicher Mann. Behauptet zumindest die Mehrzahl der Männer. Und nicht nur die. In Wirklichkeit läuft es natürlich meistens umgekehrt. Man denke nur an den mamelukischen Sultan Ali Ben Ezzeddin Aybak Bey, der die Herrschaft über Ägypten erst übernehmen konnte, nachdem seine intrigante Mutter die regierende Ex-Sklavin Schadschara Durr aus dem Weg geräumt hatte. Sogar eine beliebte Süßspeise ist nach der blutrünstigen Umm Ali, der Mutter von Ali, benannt.

Doch was, wenn eine junge Frau unter Erfolgreichsein etwas anderes versteht, als Herrin über Herd und Giftschrank zu sein und dabei möglichst viele Patentrezepte in petto zu haben, die dem männlichen Nachwuchs bei der Despoten-Karriere auf die Sprünge helfen?

Die 28jährige Meriam, Autorin und Theaterregisseurin aus Tunesien, will es wissen und erlebt eine böse Überraschung. Als auf der Eröffnungsfeier des "königlichen Theaterfestivals" in einem der Arabischen Emirate bekannt gegeben wird, dass ihr die Auszeichnung "bestes arabischsprachiges Stück" verliehen werden soll, stürmt ein unbekannter junger Mann – angeblich der Produktionsbeauftragte – auf die Bühne und schnappt der völlig sprachlosen Meriam den Preis vor der Nase weg. Tags darauf ist Meriam wie vom Erdboden verschluckt. Im Speisesaal des Hotels, in dem die Gäste des Festivals logieren, geben insgesamt neun arabische Schauspielerinnen und Theatermacherinnen, die Meriam mehr oder weniger gut kennen, Spekulationen über deren lethargischen Auftritt am Vorabend und natürlich über ihr spurloses Verschwinden zum Besten. Fünf Tage später wird Meriam tot in der Badewanne ihres Hotelzimmers aufgefunden. Wieder versammeln sich die neun Frauen im Speisesaal. Ein Abschiedsbrief wird verlesen. In einem bewegenden Zeremoniell tun die Frauen ihre Trauer kund. Doch es dauert nicht lange, und die Trauer schlägt in Wut um. Meriams Freundinnen und Kolleginnen werden zu Furien und schwören Rache, wobei ihnen allerdings vorerst nicht besseres einfällt, als sich in wilden verbalen Drohgebärden zu ergehen, ganz so wie man es von Muster-Emanzen erwartet. Also bleibt Meriam nichts anderes übrig, als von den Toten aufzuerstehen und ihren Mitstreiterinnen die Meinung zu sagen. Was natürlich nicht allen behagt. So manch eine reagiert peinlich berührt oder fordert die Untote sogar dazu auf, endlich zu sterben, um nicht den ganzen Pathos zu vermasseln.

Meriam Bousselmi weiß, wovon sie in ihrem stark autobiografisch geprägten Stück „Sünde Erfolg“ erzählt. Als ihr Stück „Mémoire en retraite“ beim 4. Arabischen Theater Festival mit dem "Sheikh Sultan Bin Mohammed Al Qasimi Award" für die "Beste Arabische Theaterperformance 2011" ausgezeichnet wurde, erlebte sie ähnlich ungeheuerliche Dinge wie die Protagonistin Meriam in "Sünde Erfolg". Und auch Meriam Bousselmi musste ihren Erfolg teuer bezahlen. Für die ultrakonservativen Salafisten in ihrem Heimatland ist die 1983 geborene Tunesierin inzwischen zum sprichwörtlichen roten Tuch geworden.

Autor

Meriam Bousselmi

Meriam Bousselmi wurde 1983 in Tunis geboren und lebt dort. Sie ist Autorin, Dramaturgin und Regisseurin und absolvierte darüber hinaus ein Studium der Rechtswissenschaft. Als Dramaturgin und Regisseurin war sie von ...