Inhalt

Zwei Männer und eine Frau in einer namenlosen Ferienanlage vor gigantischem Buffet. Die Klassenziele könnten unterschiedlicher nicht sein: Während der erste Mann Erholungsanstrengungen unternimmt, arbeitet der zweite fieberhaft an etwas, das offenbar gigantischen Planungsaufwand erfordert. Die Frau wiederum ist das Bindeglied zwischen beiden. Sie dient dem ersten als Urlaubspartnerin, dem zweiten als Sekretärin. In sonnigem Ambiente wohnen wir innerlichen Eskalationen bei. Der erste Mann kann sich beim besten Willen nicht erklären, wie er sich von seiner Freundin in eine solch groteske Situation hat bringen lassen können. Was sie als Urlaub und Entspannung empfindet, bringt ihn wortwörtlich um den Schlaf. Keine Sekunde der Urlaubswonne ist ihm vergönnt, während er sich heißredet und -denkt über den Wahnsinn dieser vermeintlichen Ferienidylle, die sinnlos dahinrinnende Zeit, die grauenhafte Musik, die ätzenden anderen Gäste, die Armseligkeit des Pools, die Langeweile, das Gefangensein. Immer verzweifelter strampelt er an gegen diese als Urlaub getarnte Zwangshaft, bis er schließlich schreiend nicht weniger als die Gedankenlosigkeit der gesamten Menschheit verflucht. Auch der zweite Mann schraubt sich mit einer Art Bernhard’schem Furor zu immer stärkeren Gemütswallungen auf. Doch seine Erregung ist in gewissem Sinne professionell. Er arbeitet an einer Machbarkeitsstudie für die EU. Und was hier machbar werden soll, so stellt sich nach und nach heraus, sind Flüchtlingslager unmittelbar vor den Toren Europas, welche der Flut der Verzweifelten einen vorläufigen Endpunkt setzen sollen. »Europäische Standards« sollen herrschen, doch dem Mann wird immer klarer, welch exorbitante Investitionen zu deren Erreichen nötig wären und daß luxuriöse Unterbringungen insofern nicht das sein können, was der EU in Wirklichkeit vorschwebt. Der Mann wächst an seiner Tätigkeit und emanzipiert sich von der anfänglichen Mischung aus Dienstbeflissenheit und persönlichem Ehrgeiz hin zur milden Subversion: Die EU soll ihre Standards bekommen – und die Frage des Kolonialismus’ muß neu diskutiert werden. Kunstvoll verwebt Charlotte Roos die Tiraden ihrer Protagonisten zu einem immer heftiger werdenden Strom der Auflehnung. Frech läßt sie Urlaubs- und Flüchtlingslager an einem Tisch Platz nehmen und damit Parallelen entstehen, die abstrus und gleichermaßen plausibel schwer im Raum hängen. In schnörkelloser, turbulenter Sprache verhandelt sie das ganz große Thema auf engem Raum.

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Autor

Charlotte Roos

Charlotte Roos ist 1974 in Düsseldorf geboren. Nach einem Magisterstudium der Germanistik und Romanistik arbeitete sie als Regieassistentin in Hamburg (Schauspielhaus), Graz und Hannover. Eigene Inszenierungen ...