Inhalt
Wie über etwas sprechen, das eigentlich unaussprechlich ist? Wie einen Zugang zu etwas finden, das lange verdrängt worden ist?
Wenn etwas tief Verdrängtes hervortritt, geschieht dies meistens schockartig. Als körperliches Geschehen, getriggert durch Erinnerung, das einen Prozess der Bewusstwerdung in Gang setzt. Doch was, wenn sich das Ich aus Gründen des Selbstschutzes verweigert und sprachlos bleibt? Dann beginnen die Dinge, die es umgeben, zu sprechen. So wie in Alexander Stutz‘ Text DAS AUGENLID IST EIN MUSKEL.
Im Zentrum des Stückes steht Aaron. Aarons Trauma ist die sexuelle Misshandlung, welche er jeden Sonntag beim Familienbesuch, im Keller des Hauses der Großmutter, während der Kindheit bis zur Adoleszenz erlebte. Wie konnte passieren, was nicht hätte passieren dürfen, da doch die Eltern über alles Bescheid wissen mussten? Wie kann eine Sprache klar benennen, was durch familiäres Schweigen verschleiert wird?
So beginnen Aarons Augen zu sprechen. Es meldet sich der Kaugummi während einer Busfahrt, als Aaron seinen Peiniger nach Jahren plötzlich wiederzusehen glaubt. Es macht sich der Kloß im Hals bemerkbar, und auch die Matratze schildert ihre Wahrnehmung des Geschehenen. Mitten in diesem Gewirr aus Stimmen: Aaron. Aaron, der versucht, die Sprachscherben zu einem sinnvollen Ganzen zusammenzufügen. Um selbst wieder ganz zu werden. Aaron mit einem Kanister, das schmelzende Familienfoto vor dem brennenden Haus…
DAS AUGENLID IST EIN MUSKEL ist eine Reise durch das Geflecht der Sprache, die unser Ich als Summe des Erlebten, das wir permanent erinnern und neu zusammensetzen müssen, vorstellt. Ganz besonders dann, wenn es schmerzhaft ist.
Die Jury der Autorentheatertage 2022 (Deutsches Theater Berlin) resümiert: "Stutz' Text findet eine atemberaubend sprachliche Form für ein Thema, bei dem einem die Sprache immer wieder wegbleibt."
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Autor
Alexander Stutz, geboren 1992, wuchs in der Nähe von Zürich auf. Erst absolvierte er eine Ausbildung als Gestalter. Dann zog es ihn nach Deutschland, wo er im freien Theater Tempus fugit als Grafiker und ...