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LA FINTA SEMPLICE ist Mozarts erste abendfüllende italienische Oper, seine vierte musikdramatische Arbeit. Er war 12, als er sie komponierte.
Aus den Notaten von Elke Neidhardt und Volker Elis Pilgrim:
"Es handelt sich um eine Heiratskomödie des Librettisten Marco Coltellini, der dem Libretto das gleichnamige Stück von Carlo Goldoni zugrundegelegt hat, das wiederum nur die Abwandlung eines Lustspiels des Franzosen Philippe Néricault Destouches ist.
Die Oper konnte sich nicht durchsetzen. Der Text ist uninteressant, weil thematisch verstaubt und dramatisch langatmig.
In der Originalfassung hat die Abfolge von Rezitativen und Arien einen antitheatralischen Effekt. Die Rezitative überwuchern die Arien, deren Reiz nicht strahlen kann.
Da die Rezitative die alte Struktur des Stückes zementieren, haben wir uns von ihnen getrennt.
Eine zweite Veränderung bezieht sich auf das Milieu. Wir versetzten die italienischen Protagonisten des 18. Jahrhunderts in das Deutschland der 60er Jahre. Und wir verjüngten die Personen um etwa ein Jahrzehnt.
Wir betrachten diese Abwandlung als ein Trägerelement der neuen Fassung.
Für das Siechtum des Stückes ist nicht seine Musik, sondern sind seine Struktur und sein Milieu verantwortlich.
Da die Musik Mozarts schon in der LA FINTA SEMPLICE musikdramatische Effekte auszulösen vermag und sie es daher durchaus verdient, theatralisch und nicht nur konzertant aufgeführt zu werden, arbeiteten wir von der Musik des Kindes Mozart her gegen das Stück der Erwachsenen, den eigentlichen Plunder.
Wir entdeckten, dass das Gebilde augenblicklich zu leben beginnt, wenn die Protagonisten in das Jahrzehnt verjüngt werden, in dem Mozart es komponiert hat.
Viele Ungereimtheiten und reihenweise nicht wegzuinszenierende Belanglosigkeiten bekommen plötzlich einen Sinn, wenn das Ganze unter Jugendlichen um die Geschlechtsreife spielt, wenn aus der Heirats- eine Pubertätskomödie wird.
Es geht bei der FINTA in Wirklichkeit um das scheinbar Harmlose und doch so Wichtige, zeitlos Wiederkehrende, um die Beschäftigung Jugendlicher mit Sexualität. Alle Formen dieser Beschäftigung kommen vor: die Kraftmeierei, das Viel-Wollen, wie das Nie-Wollen, das Nicht-Können, das Angsthaben, die Versuche mit der Zweisamkeit, die Erlebnisse ihres Scheiterns, die Erfahrung der emotionalen Wechselhaftigkeit …
Überraschend bekam die FINTA - die Verstellung - für uns einen eigentümlichen Reiz. Die Jugendlichen probieren die (Geschlechts)Rolle. Sie agieren noch im Vorfeld erwachsener Fixierungen. Sie üben, sie stellen dar, sie benehmen sich blöd und rührend, vorläufig wie vorweggenommen. Sie handeln krude, uneinsichtig, verspielt und ausgeflippt.
Mit einem Mal erhielt auch das Undramatische der Vorlage einen Sinn. Diese Zeit ist auf sonderbare Weise undramatisch, anachronistisch und a-linear.
Diese FINTA zeigt - in der Urfassung schon angelegt - Frühreife und Spätentwicklung. Die neue Achse ist das Alter um 15/16. Ein Jugendlicher ist schon 19, zwei sind jünger, was im Falle vom Mädchenimitator Ros, alias Rosina, nicht Unerfahrenheit auf allen sexuellen Gebieten heißt. Er hat Erfahrungen mit dem gleichen Geschlecht im Internat gehabt und macht - innerhalb der Handlung des laufenden neuen Stückes -, eingekleidet im weiblichen Kostüm, seine erste Erfahrung als Junge mit einem Mädchen.
Wir wollten der laschen Vorlage keine künstliche Stringenz einziehen, sondern die schon in ihr keimhaft enthaltene Atmosphäre Jugendlicher lebendig werden lassen, aus Arien, Ensembles und neuem Text ein Mosaik von Eindrücken des zweiten Jahrzehnts vermitteln.
Die Erwachsenenwelt bedroht und durchwirkt dieses Milieu längst an allen Ecken und Enden, personifiziert in drei mackrigen Jungen verschiedener Art, zwei halb mitmachend, halb protestierenden Mädchen und zwei von der untergegangenen Sonne des ersten Jahrzehnts gestreiften Kindern.
Aus etwas Leichtem mochten wir nicht etwas Schweres machen. Die Vorlage ist semplice, also einfach. Befreien wollten wir die Musik vom Fad-Seichten der Handlung. Die Musik hat einen Zauber, mit dem sich schon der jugendliche Mozart unvergleichlich von seinen vielen zeitgenössischen Kollegen abhob.
Unser Verfahren war: weglassen, was diesen Zauber behindert, hinzufügen, was seiner Entfaltung förderlich ist."

Autor

Wolfgang Amadeus Mozart

Mozart, geboren 1756 in Salzburg, wurde von seinem ehrgeizigen Vater als musikalisches Wunderkind aufgebaut und bereiste schon im Alter von sechs Jahren die Fürstenhöfe Europas. Seine erste Anstellung hatte er als ...